Umstieg auf JAWS 11: Unterschied zwischen den Versionen

Version vom 18. August 2010, 20:40 Uhr

Umstieg auf JAWS 11

Einleitung

Ich verwende seit über zehn Jahren JAWS als Screenreader am PC. Von Zeit zu Zeit ist ein Update fällig, damit die neuesten Office- Visualstudio- und andere Versionen noch nutzbar bleiben. Ein Update sollte heute eigentlich, abgesehen von neuen Funktionen, in die man sich einarbeiten muss, kein Problem mehr sein. Windows und fast alle anderen Anwendungen beherrschen mittlerweile Updatemechanismen, die i.d.R. reibungslos arbeiten.

Das hatte ich für den Umstieg auf JAWS 11 von JAWS 9 auch gehofft - immerhin verdiene ich mein Geld mit Programmieren und nicht mit der Konfiguration eines Screenreaders. Das Ergebnis des Updates, brachte mich schließlich dazu, diesen Erfahrungsbericht zu schreiben.

Der erste Eindruck

Mir wurde eine DVD nebst anderen Papieren geliefert, die ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingescannt bzw. von jemandem vorgelesen bekommen hatte. Kein Problem: Die Aktivierung hole ich dann im Laufe des Tages nach. Dabei ging ich davon aus, dass auch diesesmal dem Update ein Authorisierungscode beiliegt. Nun, dafür, das ein solcher Screenreader ausschließlich für blinde Menschen gedacht ist - von ein paar Entwicklerlizenzen mal abgesehen - ist es eigentlich schon sehr unpraktisch, dass der Code nicht in Braille oder anderweitig zur Verfügung gestellt wird.

Die DVD

Es gab nur eine DVD, sodass ich dort hoffte JAWS nebst den neuen Realspeek Solo-Sprachen vorzufinden. Ich war doch sehr überrascht, die DVD mit Realspeek solo D o.ä. bbeschriftet (softwaremäßig meine ich) vorzufinden. Von JAWS war denn auch keine Spur auf der DVD. Es fanden sich ordner mit den verschiedenen Sprachen, darunter ggf. regionale Ausprägungen und einzelne Exe-Dateien für jede Stimme!

Gut, das ich JAWS schon letztens einmal aus dem Web heruntergeladen hatte - aber 130 MB sind recht ordentlich, und man sollte bei einem Update im dreistelligen Bereich durch aus die Mühe machen, das aktualisierte Programm beizufügen.

Die Installation

Nach dem Start der Installationsdatei dauerte es recht lange und plötzlich wurde ohne Ankündigung geschweige denn einer Abfrage das aktuelle JAWS mit Braillezeile abgeschossen und der Installer selbst begann zu sprechen. Prinzipiell mag das notwendig und gut sein, aber immerhin ist man zu einer Installation ohne Braille-Unterstützung gezwungen - und die Stimme ist wieder sehr langsam! Es findet sich der übliche Installationsdialog. Im Web beim Download gab es noch den Hinweis, das unbedingt die typische Installation zu wählen wäre um Braillezeilen von Drittanbietern verwenden zu können und anschließend Braillezeilen eingefügt werden können. Die Option Benutzer definiert überrascht mich bei jeder Installation fast von neuem. Abgesehen von zwei zusätzlichen Komponenten, die man an- oder abschalten kann, kann man nichts einstellen. Dann hätte man sich die Option auch gleich sparen können und direkt nach dem Installationsumfang fragen können. Der Rest der Installation ist wie üblich - es wird weder nach dem Speicherort, noch nach Programmordnern gesucht. Anstatt sich wie JAWS 9 unter programme\freedomscientific einzutragen, erscheint das Programm direkt unter dem Ordner Programme. Das erhöht die Übersicht, wenn man mehrere Versionen betreiben möchte, und bei jeder wissen muss, wo sie denn nun zu finden ist. Am Ende bittet JAWS um einen Neustart des Systems. Schwups, startet jenes auch mit der neuen Version, obwohl bislang die alte aktiv war. Auch hier wäre eine freundliche Nachfrage wohl zu erwarten gewesen.

Die Realspeek Solo direkt Sprachausgabe

Also, endlich kann ich Eloquence in den Ruhestand schicken und statt dessen Steffi und Co. für mich sabbeln lassen. Ich habe zunächst die deutschen Stimmen und danach noch ein paar englische installiert. Das ist vorallem deswegen nervig, weil man bei jedem mal ein paar Dialoge immer gleich beantworten muss. Jaws muss dann anschließend neu gestartet werden - seltsam, dass es nicht ohne geht, aber sei's drum. Anschließend spricht JAWS immer noch mit Eloquence - das ist auch OK - ich habe es ja nicht geändert. Also unter den Grundeinstellungen bei den Stimmen das Realspeek Solo direkt Profil ausgewählt und aaaaah da spricht jemand deutsch mit englische Stimme!!! Die Einstellungen sind alle auf deutsch und ich brauche ein paar Minuten, um das problem zu lösen. Man muss die Sprache einmal auf englisch umstellen und dann wieder zurück. Ein solcher offensichtlicher Fehler, sollte sich nicht mal in einer Beta befinden! Man sollte dabei bedenken, dass nicht jeder auf diese Lösung kommt und das Kaudawelsch der Sprache verstehen kann. Jetzt, wo steffi entdlich durchgestartet ist, by-by Eloquence? leider nicht! Ich habe einen recht starken Entwickler PC am Arbeitsplatz 4GB Ram und dual Core CPU, aber Steffi hatte noch keinen Kaffee und spricht mit spürbarer Verzögerung - nicht viel anders als mit SAPI 5. Da musste dann Eloquence wieder in die Bresche springen. Vielleicht klingt das ja kleinkariert mit der Verzögerung, aber die zehntel Sekunden summieren sich auf dauer und behindern ein zügiges Arbeiten.

Brailleunterstützung

Die Braillezeilen Einrichtung ist wie bisher - der zuständige Manager findet bei mir zum Glück den Handytech-Treiber und die Zeile arbeite wieder. Doch was ist das? Die Zeichen sind andere. Nach etwas suchen findet man in den Braille-Grundeinstellungen die Ursache. JAWS (selbst in deutsch) verwendet den amerikanischen Zeichensatz für die Braillezeile. Auch dieser Fehler hätte längst verschwunden sein müssen!

Übermehmen der bisherigen Einstellungen

Eine der Stärken von JAWS ist die konfigurier- und anpassbarkeit. Das führt dazu, dass man irgendwann einmal etwas eingestelt hat, aber nicht mehr alle die kleinen Änderungen bennen könnte, wo ´man was gemacht hat. Bei der Installation eines neuen Browsersmuss man ja auch nicht alle Favoriten einzeln eintippen. Statt wie früher die Einstellungen zu verpacken, bietet JAWS nun die Funktion Einstellungen übernehmen an. JAWS schlägt dann auch zuverlässig JAWS 9 als Quelle vor und hat die Einstellungen nach wenigen Sekunden übernommen. Dumm nur, dass nicht einmal die Geschwindigkeit der Sprachausgabe mit diesem Schritt angepasst wird. So bleibt dann auch im Unklaren, was nun übernommen wurde und was nicht. Ich werde wohl wieder Tage meiner Arbeitszeit damit verbringen müssen, alles wieder so ´hinzufummeln, wie es in der früheren Version war.

Aus diesem Grund habe ich den Rest des Tages mit JAWS 9 weitergearbeitet und die notwendigen Einstellungsarbeiten auf die nächsten Tage verschoben.

Fazit

JAWS 11 führt sicher viele neue und gute Funktionen ein, bleibt aber dem traurigen Problem treu, das technische Schulden - so nennen wir solche dinge bei uns - nicht abgezahlt werden. Vergleicht man die Situation mit dem freien NVDA, so wird klar, warum das freie Programm so rapide aufgeholt hat. Die Einstellungen bleiben in einem eigenen Verzeichnis, werden von einer neuen Version benutzt. Sicher ist eine Migration von Einstellungen nichtimmer trivial, aber heutzutage sollte man einem Anwender solche Dnge nicht mehr zumuten, vorallem, wenn es hier um viele technische Einstellungen geht, die Anwendungen erst benutzbar machen. Der notwendige Authorisierungscode war übrigends derjenige von JAWS 9. Das stand nirgends, das habe ich einfach erraten! Falls die Funktionen von NVDA oder anderen konkurrenten vergleichbar mit JAWS in einer zukünftigen Version werden, und dort nicht ähnlich eklatante Fehler gemacht werden, stehen die Chancen gut, dass viele JAWS-Anwender alternativen erproben. Immerhin handelt es sich hier um ein kommerzielles Produkt, dass sich auch so verhalten sollte.

Mein Hintergrund

Wenn ich hier schon so besserwisserisch meinen Frust ablasse, sollte ich wenigstens ein paar Sätze zu meinem Hintergrund geben. Ich arbeite seit zwhn Jahren als Softwareentwickler. Daher weiß ich, wie ich bzw. wir mit einigen der beschriebenen Fehler umgehen würden. Die Installation habe ich nur deshalb binnen einer Stunde erledigen können, weil ich einige der Tücken bereits als JAWS-Anwender kannte. Davon kann man aber nicht ausgehen. Ich erhebe keinerlei Anspruch auf objektivität dieses Berichts. Ist einzig meine persönliche Erfahrung und Meinung. Gleichwohl habe ich versucht die Dinge möglichst Fair zu betrachten.